Der zweite Teil der einsatzbezogenen Ausbildung 

 

Und schon wieder sind zwei Wochen vorbei. Es waren wiederum intensive und lehrreiche Wochen. Wir wurden geistig und körperlich gefordert. Aber von vorne. 

Der Montag war geprägt von Theorien. So lernten wir einiges über die Aufgaben der Militärpolizei (MP) und vor allem wann und wie wir auf die MP angewiesen sind. Weiter wurden wir auch in Themen wie Genderaspekte, Arbeitssicherheit und Logistik aus- und weitergebildet. Abends besuchten wir dann einen albanischen Kulturverein. Wir durften zuerst beim Abendgebet zuschauen und dann ganz viele Fragen zur Kultur, Gesellschaft und Politik im Kosovo stellen. Dies war wirklich spannend und auch nützlich für den Einsatz. Es hilft, dass man sich auch geistig mehr vorbereiten kann, zudem gibt es einen guten ersten Einblick in die kosovo-albanische Kultur. 

Ab Dienstag war es dann wieder praktischer. So hatten wir einen Morgen lang Kartenlehre, was gerade für meine Aufgabe wichtig sein wird. Ein anderer spannender Block war die praktische Funkausbildung. Hier mussten wir einen Postenlauf machen und stets den aktuellen Standort mitteilen und verschiedene Szenen beschreiben, die wir antrafen. 

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausbildung ist die Sanitätsausbildung. Hier lernen wir, wie man Erste Hilfe leistet. Dazu gehören Herz-Rhythmus-Massagen, Wundverschlüsse, die NATO-Seitenlage, die auch mit angezogener Schutzweste funktioniert, und noch Diverses mehr. 

Und natürlich stand auch wieder Schiessen auf dem Programm. Es geht von mal zu mal besser und ich habe immer wie mehr Spass daran. Die Ausbildung ist auch sehr abwechslungsreich. Beispielsweise mussten wir mit der Splitterschutzweste und Helm auf den Boden liegen und seitlich liegend schiessen. Da dabei die Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt ist, sah ich beim Aufstehen wohl ein bisschen aus wie eine Schildkröte, die auf dem Rücken liegt und versucht sich aus dieser misslichen Lage zu befreien :)

Abends gab es dann oft noch Informationen und Theorien dazu, was die verschiedenen Detachemente im Einsatz machen. Die Logistik ist zum Beispiel ziemlich aufwändig und vielseitig. Es ist sicherlich auch eine Herausforderung, dass nicht alle Elemente am gleichen Standort vertreten sind. Mich fasziniert es immer wieder, wie viele verschiedene Leute und Funktionen es braucht, um die Mission überhaupt erfüllen zu können. 

An einem Abend wurden wir vom Kommandanten noch eingeladen, einen Dokumentarfilm über Fake-News zu schauen. Diese waren schon vor Donald Trump ein Thema und es ist gerade für meine Funktion wichtig, sich bewusst zu sein, dass jede Seite ihre eigenen Interessen vertritt. 

Nach dieser intensiven Woche durften wir am Freitagnachmittag früh abtreten und wir konnten das Wochenende geniessen. 

Die vierte Woche der einsatzbezogenen Ausbildung begann wiederum mit Theorien. Dieses Mal standen u.a. Kampfmittel und deren Beseitigung auf dem Programm. Dazu gab es dann auch einen praktischen Teil. Hier haben wir gelernt, was wir tun müssen, sollten wir an Minen, Blindgänger und andere Waffen heranlaufen. Es ist relativ einfach: nichts anfassen, Distanz gewinnen und das Kampfmittelbeseitigungsteam alarmieren. 

Ein weiterer Schwerpunkt der Woche waren auch die Rules of Engagement (ROE), d.h. wann und zu welchem Zweck dürfen wir welche Mittel einsetzen. Das Interessante hierbei ist, dass es nicht schwarz und weiss gibt, sondern es hängt immer von den Umständen ab. Im Zentrum steht immer der Eigenschutz und da wir uns ja nicht im Krieg befinden, sondern es eine Friedensmission ist, kann ein Rückzug durchaus ein probates Mittel sein. Wir konnten das Ganze in verschiedenen Szenarien üben und haben beispielsweise gelernt, wie wir uns bei einer Demonstration verhalten sollten oder auch an was wir alles denken müssen, wenn wir an einen Autounfall heranfahren. Beim Autounfall ging es nicht um den Einsatz der Waffen, sondern vor allem darum, dass wir an alles denken und uns nicht nur auf das am lautesten schreienden Opfer konzentrieren, sondern schauen, ob es vielleicht noch weitere Verletzte hat. Weiter standen auf dem Programm, der Umgang mit dem GPS, Sanitätsausbildung und Schiessen (wir durften auch auf Ballons schiessen :)). 

Zudem durften wir in dieser Woche einen serbischen Kulturverein besuchen. Hierzu waren wir in einer Kirche und wir haben viel über den orthodoxen Glauben gelernt. Mir wurde dabei bewusst, wie wenig ich mich bisher mit dieser Auslegung des Christentums befasst habe und für mich hier definitiv noch Nachholbedarf besteht. Wir haben wiederum viel über die serbische Gesellschaft und die Politik erfahren. Es war auch spannend zu sehen, dass der Blick auf den Kosovo ein ganz anderer ist und die Ansichten sehr divergierend sind zu denjenigen, die wir eine Woche zuvor gehört hatten. Gerade für mein Einsatzgebiet im Norden des Kosovos ist dies natürlich wichtig, da es sowohl kosovo-albanische wie auch viele kosovo-serbische Gebiete gibt. 

In dieser kurzen, aber intensiven Woche haben wir auch noch erfahren, für wann unsere Ferien geplant sind. So werde ich den Januar voraussichtlich grossmehrheitlich in der Schweiz verbringen :) 

Da wir am Freitag frei hatten, um noch diverse administrative Dinge zu erledigen, durften wir bereits am Donnerstagabend abtreten. Da bei mir soweit alles aufgegleist ist, konnte ich mich darauf konzentrieren, Zeit mit meinem Bruder zu verbringen und gute Thermounterwäsche zu finden – offenbar wird der Winter im Kosovo ziemlich kalt. Auch das gehört zum Thema «out of comfort zone» :)

Vielen Dank für die vielen netten Feedbacks! Soldat Vögeli geht jetzt zum letzten Mal für einige Zeit essen bei ihrem Lieblingsitaliener.